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Datum: Okt 8, 2020

Die HOAI: verbindliches Preisrecht?

Die Mindest und Höchstsätze der HOAI sind vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt worden. Wie sich die undurchsichtige Lage für ArchitektInnen und IngenieurInnen derzeit gestaltet erklärt der Artikel.

1.         Ausgangssituation

 

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (kurz HOAI) ist geltendes Preisrecht für Architekten/Ingenieursleistungen und hat grundsätzlich den Zweck, die Honorare einheitlich zu regeln und auf diesem Wege einen gewissen Qualitätsstandart der Leistungen zu sichern. Mit den verbindlichen und zwingenden Mindest- und Höchstsätzen sollte u.a. ein Preiskampf vermieden werden, der sich letztlich auf die Qualität der Leistungen niederschlägt. Mit dem verbindlichen und zum Teil zwingenden Preisrecht sollte daher ein Leistungswettbewerb anstatt eines Preiskampfes zur Baukultur beitragen. Dieser Teil der HOAI, der eben zwingendes Preisrecht darstellt, verstößt laut dem Urteil des EuGH vom 4.7.2019 jedoch gegen geltendes EU-Recht, hier die Dienstleistungsrichtlinie. Die Konsequenz hieraus ist, dass die Bundesrepublik Deutschland die HOAI entsprechend nachbessern muss. Dies ist bislang nicht geschehen. In der Praxis ist seitdem das Meiste, soweit das zwingende Preisrecht der HOAI betroffen ist, rechtlich gesehen ungewiss.

 

2.         Die (uneinheitliche) rechtliche Lage

 

Die erste Frage, die für eine kontroverse Diskussion sorgt, ist, ob das zwingende Preisrecht, insbesondere die Mindestsätze und Höchstsätze der HOAI, weiterhin in Gerichtsverfahren anzuwenden ist. Einig ist man sich bei einem öffentlichen Auftraggeber. Hier könne das europarechtswidrige zwingende Preisrecht nicht mehr angewandt werden. Anders sieht dies allerdings bei Vertragsparteien aus dem Privatrecht aus. Hier haben sich unter den Oberlandesgerichten im Wesentlichen zwei Lager herausgebildet. Die Autoren haben diesen Streit auch an dieser Stelle mehrfach nachgezeichnet und erklärt. Die einen vertreten die Auffassung, dass das zwingende Preisrecht in einem Gerichtsverfahren nicht mehr angewandt werden dürfe. Ein Gericht dürfe kein europarechtswidriges Gesetz zur Anwendung bringen und hierauf einen Rechtsstreit, z.B. eine Honorarklage eines Architekten, entscheiden.

 

Das andere Lager vertritt die Auffassung, dass das Urteil des EuGH lediglich die Bundesrepublik Deutschland betreffe und keine direkten Auswirkungen auf eine einzelne Privatrechtsperson (natürliche oder juristische Person) haben könne. Solange also die Bundesrepublik die HOAI nicht entsprechend EU-rechtskonform ändere und ein Rechtstreit keinen EU-Auslandsbezug aufweise, solange gelte sie nach wie vor als nationales Gesetz zwischen Parteien des Privatrechts und sei dementsprechend – auch von deutschen Gerichten - zu beachten.

 

Diese gegensätzliche Rechtsauffassung je nach Oberlandesgericht stellt eine unerträgliche Situation insbesondere für Architekten und Ingenieure dar. Also erhoffte sich die Bauwelt von der im Mai 2020 ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein klärendes Urteil. Doch leider weit gefehlt.

 

Der BGH setzte das Verfahren selbst aus und legte dem EuGH die Rechtsangelegenheit zur Entscheidung vor. Der BGH tendiert zwar dazu, das zwingenden Preisrechts zwischen Privaten ohne Auslandsbezug weiterhin angewandt zu lassen, sieht sich aber nicht in der Lage, hier ein gültiges Urteil zu fällen. Damit muss sich jetzt wieder der EuGH mit dem Thema inhaltlich befassen. Wann hier mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, ist ungewiss und solange bleibt die Ungewissheit auch für die Rechtslage für Honorarthemen bestehen. Laufende Honorarklagen werden sich bis zu einer Entscheidung des EuGH damit nicht sauber klären lassen.

 

3.         Weitere hiermit verbundene Unklarheiten

 

Folgt man der Auffassung, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI nicht mehr angewandt werden müssen bzw. sich hierauf in einem Honorarprozess nicht mehr berufen werden kann, führt dies zu Folgeproblemen.

 

So wurde z.B. entschieden, dass eine Honorarvereinbarung nach § 7 Abs.1 und 5 HOAI nicht mehr schriftlich fixiert werden müsse, um Gültigkeit zu entfalten. Darüber hinaus könne nunmehr auch ein beliebiges Honorar für die Architekten- und Ingenieurleistungen vereinbart werden.

 

Die vorher gelebte Praxis, in der Architektenverträge auch mal nur mündlich geschlossen und dann nach den zwingenden Mindestsätzen abgerechnet wurden, vgl. § 7 Abs.5 HOAI, kann nun nicht mehr - ohne Risiko - verfolgt werden. Ohne die verbindlichen Mindestsätze, drohen Architekten/Ingenieure honorartechnisch ins Ungewisse zu stürzen. Die Rückfallstufe entfällt. Sofern sich die Vertragsparteien nicht über ein Honorar einigen konnten oder die Honorarvereinbarung vor Gericht nicht bewiesen werden kann, gilt nunmehr die ortsübliche Vergütung für die erbrachten Leistungen. Hierzu gibt es ebenfalls unterschiedliche Auffassungen. Unter anderem wird vertreten, dass zumindest die Mindestsätze als ortsübliche Vergütung angesetzt werden sollen. Dies ist aber keine Regel, von der nicht auch nach unten oder oben abgewichen werden kann, sodass auch hier die Ungewissheit groß bleibt. Darüber hinaus würde man die Entscheidung des EuGH zur Europarechtswidrigkeit des zwingenden Preisrechts mit einer solchen Konstruktion umgehen können.

 

4.         Was plant die Bundesregierung?

 

Die Bundesregierung hat grundsätzlich ca. ein Jahr Zeit die HOAI entsprechend dem EU-Recht zu ändern. Dieses Jahr ist bisher ergebnislos abgelaufen.

 

Die Bundesarchitektenkammer sowie andere Planerorganisationen haben der Bundesrepublik ein Modell vorgeschlagen, wie die HOAI europarechtskonform ausgestaltet werden könnte. Hierbei soll sich etwa an der Vergütungsverordnung der Steuerberater orientiert werden. Diskutiert wird etwa ein Honorar, welches frei vereinbart werden kann, wenn es denn mindestens in Textform vom Auftraggeber beauftragt wurde. Darüber hinaus soll es eine Rückfallklausel geben, wonach das bisherige Preisrecht, eben auch die Mindest- und Höchstsätze der HOAI, gelten sollen, sofern es eine solche Beauftragung in Textform nicht gibt. Als maßgebliche Honorarsätze sollen dann aber die Mittelsätze gelten.

 

Ferner wird eine Angemessenheitsklausel diskutiert, wonach eine Vergütungsanpassung nach der Art und dem Umfang der Planungsaufgabe vorgenommen werden kann, dies würde den Verbraucherschutz stärken, was u.a. ebenfalls ein Ziel der zwingenden Mindest- und Höchstsätze gewesen ist.

 

Schließlich werden Dynamisierungen von bislang statischen Honorartafeln und andere kleine Korrekturen diskutiert. Hier kann man gespannt sein, welche Lösung sich am Ende durchsetzt. An den Zielen einen Preiskampf, bzw. Preisdumping zu verhindern und die Baukultur sowie den Verbraucherschutz zu stärken wird aber wohl festgehalten werden.

 

5.         Was ist in der Übergangszeit zu tun?

 

Ergab sich das zu erzielende Honorar des Architekten/Ingenieurs vorher fast von selbst, ohne jegliche Verhandlungsbemühungen, muss das Honorar jetzt individuell mit dem Bauherrn ausgehandelt werden. Hierbei ist zu empfehlen, in der gegenwärtigen Übergangszeit möglichst einen schriftlichen Vertrag (mit Unterschriften) zu verfassen, in dem alle honorartechnischen Themen eindeutig geregelt sind. In einer so geschlossenen Honorarvereinbarung kann auch die aktuelle HOAI als Ganzes, also auch ausdrücklich mit der zwingenden Geltung der Mindest- und Höchstsätze, vereinbart werden, mit der Folge, dass alles wieder so ist, wie früher (jedenfalls solange es die HOAI noch in dieser Form geben wird).

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